Abb. 1:
Trockengefallenes Schiff im Watt. Man erkennt deutlich, wie der blaue Teil des Rumpfes gespiegelt wird.
Luftspiegelungen sind ein Phänomen, das mit der Lichtbrechung
zusammenhängt. Tritt Licht von einem Medium in ein anderes, erfährt
es an der Grenzfläche eine Ablenkung seiner Ausbreitungsrichtung (Abb. 3).
Bekannt ist dieser Effekt vor allem am Übergang von Luft in Wasser:
Ein gerader Stiel, schräg ins Wasser gehalten, scheint genau an der
Wasseroberfläche einen Knick zu haben. Aber natürlich hat nicht der
Stiel einen Knick, sondern nur das Licht, das vom Stiel in unser Auge
gelangt, erfährt an der Wasseroberfläche eine Ablenkung.
Der Betrag dieser Richtungsänderung hängt zum einen ab von dem Winkel,
in dem das Licht auf die Grenzfläche trifft, zum anderen von einer
materialspezifischen Größe, dem Brechungsindex, auch Brechzahl genannt.
Genauer betrachtet ist es das Verhältnis der Brechzahlen der beiden Medien,
also z.B. von Luft und von Wasser.
Abb. 2:
Häuser und Kräne von Cuxhaven, aufgenommen vom Kleinen Vogelsand aus.
Teile der Gebäude sind nach unten gespiegelt.
Die dort stehenden Wasservögel beweisen, dass die Spiegelung nicht
an einer Wasserfläche erfolgt.
Nun ist der Brechungsindex der Luft keine Naturkonstante. Dieser Wert
hängt nämlich von der Dichte der Luft ab, und diese wird wiederum
von Druck und Temperatur der Luft bestimmt. Dichtere Luft hat einen
größeren Brechnungsindex als dünnere Luft. Tritt also Licht aus
dünnerer Luft in dichtere Luft, wird es ebenfalls in seiner Richtung
abgelenkt. Allerdings ist der Unterschied in den Brechungszahlen sehr
gering, die Ablenkung demzufolge auch kaum wahrnehmbar. Der Effekt ist
aber trotzdem wichtig, z.B. für die astronomische Navigation: Das
Licht der Gestirne tritt aus dem Weltraum - also dem luftleeren Raum -
in die zunehmend dichtere Lufthülle der Erde. Dadurch wird es abgelenkt.
Nun wird die Luft zur Erdoberfläche hin nicht schlagartig, sondern
eben allmählich dichter. Das hat zur Folge, dass das Licht keinen
scharfen Knick macht, sondern sich entlang einer leicht gekrümmten
Linie ausbreitet (Abb. 4).
Das führt zu einer leichten Hebung des
beobachteten Gestirnsortes gegenüber dem wahren Gestirnsort. Am Horizont
ist der Effekt deutlich: Wenn man die Sonne am Horizont untergehen sieht, ist
sie in Wahrheit längst untergegangen! In der astronomischen Navigation
muss dieser Refraktion genannte Effekt als Teil der Gesamtbeschickung
berücksichtigt werden.
Abb. 3:
Tritt Licht auf die Grenzfläche zweier Medien, wird es in seiner Richtung abgelenkt.
Wie kommt es nun zu den Luftspiegelungen? Dicht über der Erdoberfläche
ändert sich die Dichte der Luft nicht so sehr durch Druckänderungen,
sondern viel mehr durch Temperaturschwankungen. Wird Luft erwärmt,
dehnt sie sich aus - wird dadurch``leichter'', also weniger dicht.
Mitunter treten recht starke Temperaturdifferenzen auf wenigen Metern
Höhenunterschied auf, z.B. wenn die Sonne den Erdboden stark
erwärmt, und dieser dann die direkt darüberliegende Luft erwärmt.
Natürlich resultiert das dann in einem deutlichen Dichteunterschied,
und Licht, das durch diese Luftschicht hindurch muss, wird wiederum
leicht abgelenkt. Wohlgemerkt, es ist nur eine ganz leichte Ablenkung,
und sie fällt uns normalerweise kaum auf. Aber wenn das Licht ganz
flach, in einem streifenden Winkel, auf diese Luft fällt, kann diese
kleine Ablenkung dazu führen, dass das Licht gerade eben nicht in
die Luft eindringen kann, sondern wieder nach oben heraustritt, also
faktisch an der erwärmten Luftschicht reflektiert wird. Dieser flache
Winkel ist nur bei sehr weit entfernten Objekten gegeben. Luftspiegelungen
treten demzufolge nur auf, wenn das Licht weit entfernter Objekte auf
eine schmale, erwärmte Luftschicht dicht über dem Erdboden auftrifft.
Man bezeichnet dieser Form als untere Luftspiegelung. Sie ist
die mit Abstand häufigste und am leichtesten zu beobachtende Variante
der Luftspiegelungen.
Abb. 4:
Das Licht der Gestirne erfährt beim Durchgang durch die nach unten hin
zunehmend dichter werdende Lufthülle der Erde eine allmähliche
Ablenkung. Wir sehen die Gestirne stets in größerer Höhe
über dem Horizont, als das tatsächlich der Fall ist.
Die Refraktion ist am Horizont am stärksten und im Zenit gleich null.
In der Natur sind diese Voraussetzungen am ehesten dann erfüllt, wenn
die Sonne das Erdreich besonders stark erwärmt, so dass die Luft
direkt darüber (wenige Meter bzw. Dezimeter) ebenfalls erwärmt ist,
die höheren Luftschichten aber vergleichsweise kühl sind. Man findet
solche Bedingungen in der Wüste, aber auch in unseren Breiten,
insbesondere über dunklen, bebauten Flächen, wie z.B. Straßen. Jeder
hat schon einmal gesehen, wie die Scheinwerfer entfernter Autos doppelt
übereinander erscheinen, sich in der Straße spiegeln. Auch der Effekt,
dass eine Straße in der Entfernung ``nass'' erscheint, ist eine untere
Luftspiegelung. Hier wird einfach das blaue Himmelslicht über der heißen
Straße gespiegelt. Normalerweise sieht man das in der freien Natur nur
über glatten Wasserflächen, daher unser Eindruck von ``Wasser'' auf der
Straße.
Tatsächlich kann man aber auch über Wasserflächen Luftspiegelungen
beobachten. Das kann dann vorkommen, wenn sich kalte Luftschichten über
noch warmes Wasser schieben, was besonders im Herbst oder am frühen
Morgen der Fall ist. Fast das ganze Jahr über kann man Luftspiegelungen
im Wattenmeer beobachten. Die Sonne erwärmt das relativ dunkle,
trockenfallende Watt ziemlich schnell, dieses wiederum die bodennahen
Luftschichten, während kalte Luft von See her darüber geweht wird.
Es kommt nicht auf die Temperatur der bodennahen Luft selbst an, sondern
auf den Temperaturunterschied innerhalb der Luftschichten über dem
Erdboden.
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Abb. 5 a
(a) Bei einer unteren Luftspiegelung werden die Lichtstrahlen in einer
dünnen Schicht erwärmter Luft über dem Erdboden so
abgelenkt, dass sie wieder nach oben gerichtet sind. Für alle Teile
des Leuchtturms oberhalb der kritischen Linie (hier: die schwarze
``Bauchbinde'') gibt es zwei
mögliche Wege, wie das Licht in das Auge des Betrachters fallen
kann (oberer direkt, unterer gespiegelt). Unterhalb der kritischen
Linie wird das Licht in jeder Richtung so stark abgelenkt, dass es
nie den Betrachter erreicht (blaue Lichtstrahlen).
Der obere Teil des Leuchtturms ist doppelt
zu sehen, der untere Teil bleibt dem Betrachter verborgen (b).
Abb. 5 b
Betrachtet man Abb. 5a genauer, versteht man die
Form der Luftspiegelung. Zunächst ist zu sehen, dass das gespiegelte
Bild auf dem Kopf steht. Weiterhin bleibt der untere Teil des Gegenstandes
dem Betrachter ganz verborgen. Alle Lichtstrahlen werden durch die
Refraktion in den unteren Luftschichten nach oben abgelenkt, keiner
hat die Chance, waagerecht über dem Erdboden laufend das Auge des
Beobachters zu erreichen. Es gibt so etwas wie eine kritische Linie,
oberhalb derer der entfernte Gegenstand direkt zu sehen ist, während
unterhalb davon nur das gespiegelte Bild des oberen Teils zu sehen ist
(Abb. 5b, 6, 7, 8).
Abb. 6:
Untere Luftspiegelung eines Containerschiffs. Nur die Decksaufbauten
und Container sind doppelt sichtbar: aufrechtstehend direkt sowie
kopfstehend gespiegelt. Der Rumpf befindet sich unterhalb der
kritischen Linie und ist daher nicht zu sehen.
Es gibt auch obere Luftspiegelungen, die allerdings wesentlich seltener
auftreten (Abb. 9).
Hierzu müssen die Verhältnisse genau umgekehrt sein:
Über einer bodennahen kühleren Luftschicht liegt eine Schicht wärmerer
Luft. Man bezeichnet das als Temperaturinversion, denn normalerweise
nimmt die Temperatur mit der Höhe ab. Zu beobachten ist das Phänomen
am ehesten in den Polargebieten über geschlossenen Packeisfeldern.
Bei uns kommt es manchmal vor, wenn sich im Frühjahr eine warme
Luftmasse über das noch kalte Meer schiebt. Obere Luftspiegelungen
können sowohl kopfstehende als auch aufrechte Spiegelbilder erzeugen.
Je nach Temperaturschichtung der Luft können sogar mehrere
Spiegelbilder sichtbar sein. Eine Besonderheit der oberen Luftspiegelungen
ist, dass auch unter dem Horizont stehende Objekte als Spiegelbild
sichtbar sein können. So gilt es z.B. als verbürgt, dass in der
Dänemarkstraße zwischen Island und Grönland gelegentlich obere
Luftspiegelungen beider Inseln zu sehen sind, owohl es wegen der Erdkrümmung
nie direkte Landsicht geben kann. Die Wikinger sind somit auf ihren
Entdeckungsfahrten Richtung Amerika nicht ganz ins Ungewisse gefahren.
Die Entfernung des gespiegelten Landes bleibt zwar völlig unklar, die
Richtung aber wird durch Luftspiegelungen nicht verändert.
Abb. 7:
Bäderschiff und Segelboot gesehen vom Watt vor Neuwerk aus.
Die kritische Linie verläluft etwa in Höhe der Rumpfoberkante.
Das Bäderschiff hat tatsächlich nur eine Fensterreihe.
Luftspiegelungen sind eine faszinierende Naturerscheinung. Sie erhalten
ihren besonderen Reiz noch dadurch, dass die Veränderungen in der
Lufttemperatur nicht gleichmäßig und zudem zeitlich variabel sind.
Das äußert sich in oftmals grotesk verzerrten, wabernden und flimmernden
Spiegelbildern. Im Fernglas betrachtet, ist ihr Anblick oft atemberaubend!
Abb. 8:
Wattwanderer vor Schiff im Hintergrund, jeweils mit unteren Luftspiegelungen.
Der Wattwanderer ist fast vollständig zu sehen, vom Schiff hingegen
nur die Aufbauten. Je weiter das Objekt entfernt ist, desto höher
die kritische Linie.
Abb. 9:
Eine obere Luftspiegelung kommt zustande, wenn die von einem entfernten
Objekt kommenden Lichtstrahlen an einer hochliegenden Schicht erwärmter
Luft (Temperaturinversion) gebrochen werden. Je nach Temperaturprofil
sind hier sehr unterschiedliche Lichtwege denkbar. Die Bilder können
sowohl aufrecht als auch kopfstehend sein.
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