Sie hießen Friesenflut, Allerheiligen-Flut, Weihnachtsflut oder gar "Grote Manndränke": Rund ein Jahrtausend lang haben die Menschen an der Nordseeküste immer wieder Leben, Hab' und Gut durch große Sturmfluten verloren. Heute können Küstenschutz und Flutvorhersagen weitgehenden Schutz bieten. | |
Als vor rund tausend Jahren die systematische Besiedlung des Küstengebietes anfing, begann auch der Kampf der Menschen gegen die wiederkehrenden Hochwasser. Seitdem haben viele Fluten traurige Berühmtheit erlangt. Sie haben die Form der deutschen Nordseeküste deutlich geprägt.
Die Entstehung einer Sturmflut wird durch verschiedene Faktoren begünstigt. Da ist zunächst natürlich der Wind, der aus südwestlichen bis nordwestlichen Richtungen das Atlantikwasser in die Nordsee und in die Deutsche Bucht drückt. Zum anderen spielt die Wetterlage eine Rolle. Der geringe Luftdruck im Zentrum eines nordatlantischen Tiefs lässt bereits dort den Wasserspiegel um einige Dezimeter ansteigen. Wenn diese an sich kleine Welle dann in die flacheren Küstengewässer kommt, nimmt sie erheblich an Höhe zu. Je nach Wetterlage wird zwischen verschiedenen Sturmfluttypen (Typ "Nordsee", "Skandinavien", "Grönland") unterschieden. Natürlich ist auch die Tide wichtig. Zur Springzeit addieren sich die Gezeitenkräfte von Sonne und Mond, so dass kurz nach Neu- und Vollmond die Fluten besonders hoch ausfallen. Schließlich ist die Form der jeweiligen Landmassen von besonderer Bedeutung. Streckt sich die Küste trichterartig dem Wind entgegen, so läuft das Wasser besonders hoch auf. Wird das Meer schon weit vor der Küste flach, so brechen die Wellen bereits relativ früh und verlieren an Kraft. In der seit kurzem auf einen maximalen Tiefgang von 15,10 m (für Einlaufen mit Hochwasser) ausgebaggerten Elbrinne kann eine Flutwelle leichter flussaufwärts laufen als in flacheren Flussbetten.
KüstenschutzDer Küstenschutz spielt an der ganzen Nordseeküste eine große Rolle. Dabei ist besonders wichtig, den heranlaufenden Wellen schon früh ihre Kraft zu nehmen. Dazu dienen ein ausgedehntes Vorland und oftmals Buhnen und Lahnungen. Der Deich steigt seeseitig ganz langsam an und verschlingt durch das flache Profil beim Bau große Mengen von Material. Daher wird er im Kern mit Kies aufgeschüttet. Nur die obere Schicht ist Klei, also schwerer, fester Boden. Früher war das anders: Beidseitig waren die Deichprofile sehr viel steiler, was den Wellen gute Angriffsflächen bot und oft zu Deichbrüchen führte. |
Auch regelmäßige Pflege des Deiches tut not: Höhlenbauer wie Mäuse und Kaninchen müssen vertrieben werden, Unkraut beseitigt. Doch manch' Gefahr ist Menschenwerk: Auf Neuwerk gab es bis in die 70er Jahre vier Backsteintürme, die in den Deich eingelassen waren. Bei der Jahrhundertflut im Januar 1976 konnte das Wasser zwischen Deich und Gemäuer greifen, was beinahe zum Deichbruch geführt hätte. Die Türme mussten daraufhin noch im gleichen Jahr abgerissen werden. Entsprechend sorgfältig müssen die vielen Siele in den Deich eingepasst werden, also die vielen verschließbaren Abflüsse des binnenländischen Süßwassers nach außen. Wenn sie bei Regen nicht gelegentlich geöffnet werden, kann es drinnen zu Süßwasser-Überschwemmungen kommen. Solche Öffnungen können zum Beispiel auch bei länger andauernden Sturmfluten zur Niedrigwasserzeit erfolgen. Bricht ein Deich, so reißt der entstehende Wirbel an der Bruchstelle ein tiefes Loch in den Boden. Dort kann der Wall dann nicht wieder aufgeschichtet werden: Der reparierte Deich wird um die Bruchstelle herumgeführt, ein Brack ist entstanden.
Hohe LandverlusteIn den vergangenen Jahrhunderten hat sich die Nordsee immer mehr in küstennahe Landstriche ausgebreitet. Die Landverluste bei Sturmfluten wurden dabei u.a. an der deutschen Nordseeküste durch Landsenkungen (Sackungsprozesse) begünstigt. Die Doggerbank war einst europäisches Festland und vor 4500 Jahren konnte man den Helgoländer Felsen noch zu Fuß erreichen. Die heutige 15m-Tiefenlinie gibt grob den damaligen Küstenverlauf wieder. Bei extremen Sturmfluten entstehen 1164 der Jadebusen und 1287 der Dollart. 1362 werden bei der "Groten Manndränke" große Teile der Nordfriesischen Küste überspült und zu Teilen der Nordsee. Der Ort Rungholt geht unter, es soll über 100.000 Tote gegeben haben. Im Oktober 1634 wird die Insel Strand teilweise zerstört, Nordstrand bleibt übrig. In der Nacht des Jahreswechsels 1721/22 bricht bei einer Sturmflut der Gesteinswall zwischen Helgoländer Hauptinsel und Düne. Doch damals war die Düneninsel noch fast zehnmal größer als heute. Im vorigen Jahrhundert verschwand Alt-Wangerooge (Neujahrsflut 1855). Zu den jüngeren Landrückgängen zählen die ständigen Verluste an den Düneninseln der Nordseeküste, vor allem auf Sylt, und das Verschwinden der Vogelinsel Jordsand im Jahre 1999. Dort blieb nur noch eine Sandbank.
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Wer von Hochwasser unmittelbar betroffen ist, kann viel für die Sicherheit tun: Dazu gehört als Vorsorge schon der Kontakt zu Nachbarn und das Sichern herumstehender Gegenstände (z.B. Plastikmülltonnen) gegen Wegschwimmen. Läuft der Keller voll, sollten die Sicherungen ausgeschaltet sein. So wie man bei einer Havarie am sichersten bei seinem Boot bleibt, ist man bei Hochwasser normalerweise am und im Haus am besten aufgehoben. Wer auf eigenem Kiel mit dem Boot aus dem Garten entkommen will, muss mit extremen Strömungsverhältnissen und Unterwasserhindernissen rechnen. Schließlich kann der Wasserdruck ganze Gullideckel anheben und wegdrücken - ein Risiko für Wanderer in Angler-Wathosen, wenn sie keine Rettungsweste benutzen. Aber auch wer sich von Profis mit dem Boot vom Haus abbergen lässt, sollte eine Rettungsweste tragen. Kleintiere werden wenn überhaupt, nur in passenden Behältnissen mitgenommen. |
Internet-Hinweis: Zu Verhalten und Sicherheit bei Hochwasser gibt es Informationen bei der DLRG unter http://hochwasser.dlrg.de/. Dort sind auch interessante Einsatzberichte.
Aus: palstek 5/2001 (September 2001)
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