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Die vielleicht für uns wichtigsten Druckgebilde im nördlichen Atlantik sind das Azorenhoch und das Islandtief. Sie liegen zwar nicht immer auf ihrem Platz, bildet man aber langfristige Mittelwerte des Luftdrucks, kann man beide gut lokalisieren. Und noch etwas haben sie gemeinsam: Zu Zeiten, zu denen das Islandtief besonders ausgeprägt ist, ist es das Azorenhoch meist auch. Umgekehrt ist schwacher Tiefdruck bei Island meist auch nur mit einem mäßigen Hoch westlich von Gibraltar verbunden. Wie eine Art Schwingung zeigen manche Jahre starkes Hoch und tiefes Tief, andere schwaches Hoch und schwaches Tief. Diese Verbindung der beiden Druckgebilde wird als Nordatlantische Oszillation (NAO) bezeichnet. Sie ist von erheblicher Bedeutung für das Wetter im ganzen Bereich des Nordatlantik und darüber hinaus. Der NAO-Index gibt die Ausprägung des Druckunterschiedes an: Hoher Index bedeutet starkes Islandtief und starkes Azorenhoch. Die VorhersageWir sind heute noch überwiegend nur Beobachter der Szenerie. Was zu der ganz unterschiedlichen Ausprägung der NAO führt, ist noch weitgehend unverstanden. Vor allem ist unklar, ob und in wie weit Temperatur- und Feuchtigkeitsaustausch zwischen Atmosphäre und Meeresströmungen eine Rolle spielen. Dennoch: Besonders im Winter sind die Messgrößen des Wetters der Nordatlantikregion und teilweise der ganzen Nordhemisphäre offenbar stark an den NAO-Index gekoppelt. Seit einiger Zeit ist man in der Lage, das El-Niño-Phänomen über sechs bis zwölf Monate grob vorauszuberechnen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Oszillation zwischen den treibenden Kräften des Passats: dem Hochdruckbereich vor Südamerika und Tiefdruck im Westpazifik. Die Hoffnung der Klimaforscher ist, in den nächsten Jahren die NAO ähnlich gut zu verstehen. Noch aus einem anderen Grund ist ein Verständnis der NAO wichtig. Nur damit können wir sagen, ob viele Klimaänderungen der letzten Jahrzehnte dauerhafte Trends darstellen, oder ob es sich nur um vorübergehende Erscheinungen handelt, die nach einigen Jahrzehnten wieder abklingen. Forschung: Messungen für ModelleUm Wettergeschehen vorherzusagen, werden umfangreiche Computerprogramme mit aktuellen Wetterdaten gefüttert. Man versucht dann, die weitere Entwicklung vorauszuberechnen. Aber wie soll man zum Beispiel an die Tiefenwasser-Temperatur tausend Meilen südlich von Grönland gelangen ? Klassisch wurden die Messungen meist von Handelsschiffen ausgeführt, die auf ihren Fahrten Aufzeichnungen über Wind und Wetter machten, Temperaturen maßen und Strömungen schätzten. Dieser Weg zu Daten ist zwar relativ preiswert, aber abseits der allgemeinen Schifffahrtsrouten bleibt damit die Wetterkarte weiß. Driftende Bojen sind da praktischer. Nördlich von 20°N gibt es davon im Atlantik eine ganze Menge. Über Satellit melden sie ihre Position und ihre Wettermessungen an Landstationen und die Daten sind oft schon Minuten später im weltweiten Computernetz für jedermann abrufbar. Für systematische Beobachtungen sind driftende Bojen jedoch nur bedingt geeignet. Andererseits ist auf dem Ozean nicht leicht verankern. Man hat also vor einigen Jahren zunächst im friedlichen Pazifik begonnen, Tiefseeverankerungen zu testen, und heute liegen dort rund 70 Messtonnen an festen Positionen. Für den tropischen Atlantik gibt es ein entsprechendes Projekt, was sich die pazifischen Erfahrungen mit Tiefseemoorings zu Nutze macht. Auch von Satelliten kann man Messdaten gewinnen, vor allem Wassertemperatur und Wellenhöhe, durch letztere mittelbar die Windgeschwindigkeit. Aber das Auge der künstlichen Monde endet an der Wasseroberfläche, so dass viele interessante Daten dieser Methode verborgen bleiben. Schließlich werden langfristige Klimadaten auch indirekt gewonnen: Aus Wachstumsringen der Bäume oder Eisbohrkernen von Grönland kann man auf den Wetterverlauf früherer Jahrhunderte schließen - freilich nicht so genau, wie man es gern hätte. |
Alle diese Daten können nun in Computer gefüttert werden, in denen meteorologisches Wissen gespeichert ist. Durch ständigen Vergleich der Rechenergebnisse mit den beobachteten Werten werden die Programme laufend verbessert. Wirkung auf unser WetterEinige der unmittelbaren Wirkungen der NAO scheinen auf den ersten Blick relativ leicht verständlich. Zum Beispiel ist bei hohem NAO-Index die Temperatur des Oberflächenwassers südlich von Grönland deutlich abgesenkt. Hier scheint das Islandtief für Nordwinde zu sorgen, die im Bereich des Labradorbeckens durch grönländische Polarluft die Wassertemperatur erheblich senken. Schaut man genauer hin, könnten es aber auch die starken Westwinde, durch die der Oberflächen-Salzgehalt dort verringert wird. Bei dann leichterem Ozeanwasser würde sich die Konvektion (Absinken von Wasser in die Tiefe) verlangsamen und weniger warmes Wasser aus der Golfregion nachströmen - das Ergebnis wären ebenfalls niedrigere Oberflächentemperaturen. Umgekehrt steigen bei hohen NAO-Index-Werten ganz eindeutig die Wassertemperaturen in der Biskaya, der Nord- und der Ostsee. Bei starkem Druckunterschied zwischen Lissabon und Rejkjavik sind die West-Ost-Luftströmungen besonders stark, die etwas wärmere und feuchtere Meeresluft aus subtropischen Regionen nach Mitteleuropa führen. Das Ergebnis sind bei uns nicht nur nassere Winter, sondern auch wärmere, wenn es am Südzipfel Grönlands besonders kalt ist - und umgekehrt. Aber welche Rolle spielt die Wechselwirkung mit der Temperatur und der Transportmenge des Golfstroms?
1990 war so ein Winter extrem hohen NAO-Indexes: Besonders starke Westströmungen mit viel Regen statt Schnee erreichten Europa. Zahlreiche Winterstürme waren ebenfalls die Folge - sie hatten zum Ärger der Versicherungen ihre Zugbahnen verlagert. Das Festlandhoch, das im Winter eher für Wetterberuhigung sorgt, war schwächer und lag weiter östlich als normalerweise - die Weststürme wurden kaum nach Nord und Süd um Mitteleuropa herum abgelenkt. Die Beispiele zeigen, dass wir von einem Verständnis der Klimazusammenhänge im Nordatlantik noch ein gutes Stück entfernt sind, und die aufgeworfenen Fragen sind im Moment Gegenstand der Forschung. Übrigens könnte es sein, dass uns nun wieder weniger nasse Winter bevorstehen - der NAO-Index ist in den letzten drei Jahren nicht weiter gestiegen, er war teilweise sogar auffallend niedrig - wie auch in den 60er Jahren schon einmal, als die Winter in Mitteleuropa ungewöhnlich kalt waren. |
Die Sturmhäufigkeit hat in den letzten drei Jahrzehnten tendenziell
zugenommen. Hier exemplarisch die Zahl der Wintertage, an denen am
Flughafen Düsseldorf Windstärken von 8 und mehr Beaufort
gemessen wurden. Die mittlere Windgeschwindigkeit hat sich in dieser
Zeit jedoch kaum geändert.
Aus: palstek 6/1999 (Nov 1999)
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Leuchtturm-Atlas
Letzte Änderung: 2003-01-29